Die Wahrheit und das Märchen

Die Wahrheit ging durch die Straßen, ganz nackt wie am Tage ihrer Geburt. Kein Mensch wollte sie in sein Haus einlassen. Alle fürchteten sich vor ihr. Eines Tages ging die Wahrheit wieder in Gedanken versunken durch die Straßen. Sie war sehr betrübt und verbittert. Da begegnete sie dem Märchen. Das Märchen war geschmückt mit herrlichen, prächtigen, vielfarbigen Kleidern, die jedes Auge und jedes Herz entzückten.

„Sage mir, werte Freundin, warum bist du so bedrückt und drehst dich auf den Straßen so betrübt umher?“

„Es geht mir sehr schlecht. Ich bin alt und betagt und kein Mensch will mich kennen.“

„Nicht weil du alt bist, lieben dich die Menschen nicht. Auch ich bin sehr alt. Und je älter ich werde, umso mehr lieben mich die Menschen. Siehe, ich will dir ein Geheimnis enthüllen: Sie lieben es, dass jeder geschmückt ist und sich ein wenig verkleidet. Ich werde dir solche Kleider borgen, mit denen ich angezogen bin und du wirst sehen, dass die Menschen auch dich lieben werden.“

Die Wahrheit befolgte diesen Rat. Sie schmückte sich mit Kleidern des Märchens. Seit damals gehen die Wahrheit und das Märchen zusammen und beide sind bei den Menschen beliebt.

Autor/in unbekannt

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