Zuhören, ganz oder gar nicht.

An einem ganz normalen Samstag ereignet sich folgende Situation in einem Buchladen:
Eine Familie mit zwei Kindern, die etwa vier und sechs Jahre alt sind, betritt besagten Buchladen. Die Eltern beschäftigen sich, die Kinder haben erst mal viel zu schauen. Wie Kinder so sind, haben sie aber auch viele Fragen. Die aber leider nicht beantwortet werden, da die Eltern ja beschäftigt sind.
Also müssen sich die Kinder auch beschäftigen. Eins nimmt einen großen Kalender von einem Hängeregal. Der ist jedoch so groß, dass er ihm aus der Hand fällt. Da werden die Eltern wach und schimpfen: „Kannst nicht aufpassen? Hast du einen Vogel?“ Sie hängen den Kalender wieder auf und beschäftigen sich weiter mit ihrer Lektüre. Doch die Kinder haben immer noch Fragen, die nicht beantwortet werden. Und die Eltern sind genervt, dass die Kinder fragen.

Irgendwann jedoch sind die Kinder in etwas vertieft und ruhig. Jetzt aber wollen die Eltern gehen und zerren die Kinder mit. „Wir müssen jetzt gehen, leg das wieder hin.“ Im Hinausgehen hört man noch: „Man, ist das heute wieder anstrengend mit denen!“
Wenn wir uns die Situation ansehen, haben wir bestimmt Ideen dazu, was wer wie anders machen, wer sich wie anders verhalten sollte. Ich erlebe das beispielsweise auch immer in Seminaren, in denen es um das Thema Gutes Zuhören geht. Wie das geht, weiß theoretisch jeder: Blickkontakt halten, nachfragen, usw.

Und immer gibt es auch den Seufzer: „Eigentlich weiß ich ja, wie ich es richtig machen muss, aber ich schaffe es trotzdem häufig nicht.“

Und das geht uns allen mehr oder weniger so. Wenn wir mit etwas beschäftigt sind, hören wir nur mit halbem Ohr zu, wie der Volksmund so schön sagt. Wenn der andere zu lange redet oder uns langweilt, tun wir nur noch so, als würden wir zuhören.
In solchen Situationen sind wir aus meiner Sicht nicht ehrlich, wir machen uns und dem anderen etwas vor. Und der andere, ob Kind oder Erwachsene, merkt das genau. Das kann häufig Folgen haben, die wir gar nicht wollen.

Ich habe ein Rezept gefunden, das immer anwendbar ist, wenngleich es auch einige Übung erfordert und vielleicht auch andere Einstellungen und Verhaltensweisen nach sich zieht:
Unbedingte Voraussetzung ist, dass ich mir des gegenwärtigen Moments bewusst bin. Was ist jetzt dran – und was ist eben nicht dran? Das ist in der heute häufig anzutreffenden Hektik nicht leicht und will geübt sein.

Innehalten und entscheiden, ob ich zuhören will oder nicht. Und zwar ganz oder gar nicht. Ganz heißt, mit allen Sinnen und dem anderen zugewandt (auch und gerade Kindern). Gar nicht heißt, ich teile mit, dass es jetzt gerade nicht geht, aus welchem Grund auch immer.

Allzeit ein offenes Ohr wünscht
Rose-Marie Gilsbach

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